Gourmandises Françaises

Gourmandises Françaises: Tomates Confites

29. August 2014
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Die erste Begegnung mit getrockneten Tomaten, der allseits bekannten Verwandtschaft der Tomates Confites, war merkwürdig. Als sie in meinem Mund landeten rieb sich etwas Vertrocknetes, Runzliges gegen meinen Gaumen und erinnerte mich zwangsläufig mehr an ein Waschbrett als an eine Tomate. Dieses schrumpelige Klümpchen hatte seiner tomatigen Persönlichkeit abgedankt, seinen Körper verändert, sein Aroma hatte sich irgendwo zwischen muffig staubig, rosinig und tomatig eingependelt. Ich wollte zuerst nicht glauben, dass es sich bei dieser seltsamen Erscheinung, diesem pappigen Etwas am Gaumen um Tomate handeln sollte. Ich konnte einfach nicht ahnen, wieviel unausgelebtes Potenzial darin steckt.

Einige Jahre begnügte ich mich mit eher seltenem Zusammentreffen mit getrockneten Tomaten, meist im Beisein von Pasta, Rucola oder Parmesan, seltener auch mit Rinderfiletstreifen oder anderen wilden Anwesenden, die sie (glücklicherweise) meist zum Nebendarsteller machten. Immer mal wieder liefen wir uns über den Weg, immer wieder wunderte ich mich über Lobeshymnen, die diesen Schrumpelklumpen nachgesungen wurden, und hielt mich schlussendlich doch lieber an die frische Verwandtschaft, die sich mir mit weitaus interessanteren Geschmackseindrücken präsentierte.

Doch dann änderten sich die Dinge. Ich landete am Institut Paul Bocuse in Lyon und wurde eines Besseren belehrt. Als dort eines Tages Tomates Confites auf der Tagesordnung standen, ahnte ich in meiner Naivität nicht einmal, dass es sich dabei um die bessere Hälfte der getrockneten Tomaten handeln würde, um die Reinkarnation einer frischen Tomate als noch göttlicheres, vollmundigeres und geschmacklich vereinnahmenderes Erlebnis.

 

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Unter Anleitung eins alle Köstlichkeiten der französischen Küche beherrschenden Chefkochs blanchierte, schälte und entkernte ich flux ein Töpfchen fester, runder Sommertomaten, drückte ihre nackten Hälften behutsam auf ein mit Backpapier ausgelegtes Blech, bestäubte sie sanft mit Puderzucker, bestreute sie mit einer ordentlichen Prise Salz, besprenkelte sie mit gezupften Kräutern und hauchdünnen Knoblauchscheibchen und besiegelte das Vorhaben zuletzt noch mit einigen Spritzern besten Olivenöls bevor ich das Blech in den Ofen schob. Der Chef de Cuisine lobte, knallte die Ofentür zu, das Warten begann.

Mein Interesse war anwesend und konzentriert, aber keinesfalls außer sich vor Vorfreude über das, was am Ende wohl aus dem Ofen herauskommen würde. Ich war gänzlich ahnungslos, wie köstlich das Geschmackserlebnis sein würde. Ich beobachtete die Tomaten im 10-Minuten-Takt, lugte ab und an durch die gläserne Ofentür, spähte manches Mal durch einen Schlitz in den Ofen hinein um mich zu versichern, dass es ihnen gut ging und sie sich nicht einfach in diese runzligen, staubtrockenen, gummiartigen Scheußlich-Dinger verwandeln würden.

Als sie sich langsam zusammenzogen, die Stirn leicht in Falten legten, die hauchdünnen Knoblauchscheiben sich wie verheißungsvoll zwinkernde Augen zusammenkniffen und die Tomaten sich nach und nach immer mehr krümmten, schlichen sich erste vage Vermutungen in meinen Hinterkopf. Ungeahnte Hoffnungen, dass aus ihnen dieses Mal vielleicht doch mehr werden könnte. Fragezeichen im Kopf, weshalb ich bislang nie selbst versucht hatte mehr daraus zu machen, obwohl ich doch sonst immer alles selbst versuche.

 

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2 Stunden nachdem ich sie in den Ofen geschoben hatte, zog ich ein Blech mit wunderschön aussehenden Tomates Confites aus dem Ofen, die bessere Version der getrockneten Tomate. Der Raum füllte sich mit intensiv süßlichem Tomatenduft, durchzogen mit feinen Noten karamellisierten Knoblauchs und äußerst präsenten Thymianaromen. Der Geruch kündigte Köstliches an und eine erste Geschmacksprobe hielt nicht nur, was der Duft versprach, sondern übertraf es bei Weitem.

Auf meiner Zunge tanzten die Tomatenaromen in einer Lebendigkeit und Ausdrucksstärke, wie man sie sich oft herbeisehnt, aber nur selten erhascht. Das Runzlige und Muffige qualitativ katastrophaler getrockneter Tomaten, wie man sie bei uns in Hülle und Fülle im Handel kaufen kann, zeigte sich nicht einmal im kleinsten Geschmacksansatz. Stattdessen führten kräuterige, würzige Aromen mit der karamelligen Süße und leichten Röstnoten ein Tänzchen auf meiner Zunge auf. Eine wohl einstudierte Aufführung, die sie wohl schon seit Ewigkeiten tanzen, wenn man ihnen nur die Bühne dafür bereitet. Als neuer Zuschauer stand ich gebannt in der Institutsküche, schloss die Augen und versank einen Moment im Aromenspektakel. Es war der Moment, in dem ich beschloss, nie wieder getrocknete Tomaten anzurühren, die viel zu salzig, viel zu trocken, viel zu muffig sind. Der Moment, in dem ich mit guten Vorsätzen beschloss ab sofort so oft wie nur möglich Tomates Confites in heimischer Serienproduktion herzustellen.

Meine Rezeptversion der Tomates Confites habe ich schon vor Ewigkeiten verraten. Aber ich muss euch vorwarnen: sie sind so gut, dass sie nicht lange halten. Nutzt also jetzt noch die Tomatensaison, kauft kiloweise reife, feste, wunderschöne Tomaten, bereitet sie nach dem Rezept zu und esst euch daran satt. Sie sind perfekt für Tomatensugos, als tiefaromatische Stückeneinlage in selbstgekochten Tomatensaucen, als Pizzabelag (weil sie ihr Wasser schon verloren haben, weichen sie auch nicht die knusprige Pizza auf), für diese Burger oder auch andere, als Salatbestandteil, Panini-Belag oder fein gehackt und mit Öl vermischt auch als Bruschetta-Aufstrich. Zahllos sind die Einsatzmöglichkeiten, einzigartig das Geschmackserlebnis.

Seitdem habe ich mich nie wieder an getrockneten Tomaten versucht, sondern mich stets auf die halbgetrocknete Variante der Tomates Confites konzentriert. Ihre weiche, aber von unnötigem Wasser befreite Konsistenz becirct und begeistert mich immer wieder mit ihrer Geschmacksintensität. Deshalb gehören sie unabdingbar in die Reihe der „Gourmandises Françaises“.

Vive la France et les Gourmandises Françaises!

 

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