Vielleicht geht es euch so wie mir: ich möchte einfach noch nicht wahrhaben, dass der Sommer fast vorbei ist. Aber die Zeichen klopfen beständig, immer lauter werdend an unsere Tage an. Regentage mehren sich, die Sonne geht wieder früher unter, die Nächte sind empfindlich kühl. Mit letztem Glauben hängen wir an der Hoffnung, es möge vielleicht noch einen Spätsommer geben, wie wir ihn meist Anfang September herbeisehnen. Mit goldenen Sonnenstrahlen, die Nachmittage durchfluten bis das letzte Blatt ihrendqann von den Bäumen gefallen ist.
Wenn wir in die Auslage auf dem Markt schauen, verabschieden sich schon die leuchtenden Sommerfarben und wechseln sich mit den wärmeren, gedeckteren Herbstfarben ab. Kürbisse türmen sich dort schon und stehlen mit ihrer Farbenpracht und immenser Größe den letzten kleinen Sommerkindern die Show.
Letzte Verbliebene des Sommerspektakels sind die Pflaumen, Zwetschgen und: saftige, kleine Mirabellen, die jeden Sonnenstrahl der fröhlichen Sommertage eingefangen haben.
Wilde Spätsommerfrüchte
Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich sie lieben lernte. Natürlich war es mein Opa, der Gemüsehändler, der die kleinen Kugeln jährlich ins Haus brachte. Sie leuchteten strahlend goldgelb, schmeckten nach Sonne und Spätsommer, nach wildem Fangenspielen in großen Gärten, nach Freude, Auszeit und Unbekümmertheit. Was Litschis im Winter für mich waren, waren Mirabellen im Herbst: eine Belohnung und Kostbarkeit.
Überdruss an ihnen kommt erst gar nicht auf, so kurz ist ihre Saison und so selten ihre Verfügbarkeit im Handel oder auf Märkten. Sie schmecken wie ein Best-of aus gelber Pflaume, Pfirsich und Aprikose, eingebettet in ein deutlich an Pflaume erinnerndes Fruchtfleisch. Mit ihren wenigen Zentimetern Durchmesser sind sie der perfekte Steinobst-Snack, kaum größer als eine Kirsche.
Mirabelle oder Myrobalane?
In Frankreich auf einem Markt stolperte ich dann über eine Version der Mirabelle, die in Deutschland noch seltener gesehen wird als die gelbe Mirabelle. Sie war rötlich, mit Schattierungen des verlockenden Pflaumenlilas und einem hauchzarten Weißschleier, den man ebenfalls von Pflaumen kennt. Aus botanischer Perspektive betrachtet ist sie ein wilde Mirabelle, auch Kirschpflaume oder Myrobalane genannt, aber diese komplizierten Details sind mit einem genussvollen Biss schnell vergessen. Wenn man gezielt nach ihr sucht, sollte man in allerdings in Frankreich besser nach „Myrobolans“ fragen als nach „Mirabelles“.
Es gab nur wenige Holzschachteln davon, der Bio-Hof, der seine Ware an einem eigenen Stand anbot, hatte sie in der Auslage weiter nach vorn gerückt, weil sich die wenigen Schächtelchen zwischen dem anderen farbenfrohen Obst und Gemüse sonst verloren. Nur wenige waren übrig geblieben von der nicht allzu großen Ernte.
Entgegen ihrer gelben Schwestern waren sie etwas säuerlicher, deutlich pflaumiger, nicht ganz so mürbe im Fruchtfleisch, stattdessen mit etwas mehr Biss und leicht kirschig im Geschmacksprofil. Leider hatte ich nur zwei Schachteln davon ergattert, gerade genug um zwei Abende lang davon zu zehren.
Kulinarische Lebensplanung
Auf der großen Wunschliste meines Lebens steht geschrieben, dass ich irgendwann einen Mirabellenbaum in meinem Gärten stehen haben möchte. Einen, bei dem man jedes Mal klettern muss, sich verrenken und ausgiebig fluchen, wenn man diese kleinen Perlen pflückt. Abend für Abend werde ich mich dann mit einer Schüssel (wahrscheinlich gelber) Mirabellen auf die Wiese setzen um still und leise dem Mirabellenglück zu fröhnen und sonntags, wenn es nach einem Stück Kuchen gelüstet, werde ich eine köstliche Mirabellentarte davon backen, die in ihrer Einfachheit und Unkompliziertheit das Mirabellenglück perfekt machen wird.
Wer so glücklich ist, einen Mirabellenbaum sein Eigen zu nennen und du nicht nur mit dem Glück der reinen Frucht abgeben möchte, der verwendet sie einfach wie ihre geschmacklichen Verwandten. Tartes, Kuchen, Konfitüre, eingelegt, eingemacht als Kompott oder Chutney, angebraten zu Fleisch, Fisch oder Kaiserschmarrn. Oder einfach frisch zu einem Stück Ziegenkäse oder leicht gezuckert mit einem Schlag Crème Fraîche. Ich komme schon wieder ins Schwärmen? Genau. Allein der Gedanke an Mirabellen macht mich unglaublich fröhlich.
Vive la France et les Gourmandises Françaises!
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