Banon
Eine lange Geschichte hat er schon auf dem Buckel, dieser kleine und harmlos wirkende Weichkäse, der sich durch eine aufmerksamkeitserregende Hülle sofort interessant macht. Erste schriftliche Erwähnungen des „Käse von Banon“ findet man in Schriften von 1270. Seinen Ursprung hat er im Dorf Banon, das in unmittelbarer Nähe von Forcalquier liegt, einem wunderschönen Städtchen im Herzen der Provence, genauer gesagt dem Département Alpes-de-Haute-Provence.
Heiße und trockene Sommer zeichnen diese Region aus und machen aus den verfügbaren Böden eine karge Landschaft. Genau deshalb findet man hier besonders viele Ziegen. Für arme Bauern waren Ziegen, Schafe und Esel früher nicht nur erschwinglicher als Kühe, sondern auch einfacher zu halten, da sie mit kargen Verhältnissen und den gegebenen klimatischen Bedingungen gut zurecht kommen. Ziegen wurden vorrangig zur Milchgewinnung genutzt, Schafe für ihr aromatisches Fleisch gehalten.
Da Banon schon auf eine lange Geschichte zurückblickt, hat sich hier auch ein Fest zu Ehren des ruhmvollen Käse etabliert. Jedes Jahr findet am dritten Mai-Wochenende ein Käsefest in Banon statt.
Herkunftsgeschützter Banon mit dem AOC Siegel
Seit 2003 steht der kleine Käselaib unter Herkunftsschutz einer Appellation d’Origine Contrôlée und ist somit der einzige herkunftsgeschützte Käse der Region Provence-Alpes-Côte d’Azur.
Banon AOC darf nur aus Rohmilch hergestellt werden, die den äußerst entzückenden Ziegenrassen Provençales, Roves und Alpines entstammt. Auch in die Haltungsbedingungen schreitet die gesetzliche Regelung des AOC Siegels ein: die Tiere müssen mindestens 210 Tage im Jahr im Freien gehalten werden und sollen mit maximal 8 Tieren pro Hektar Weideland genug Auslauf haben. Zusätzlich dürfen sie nicht mehr als 850 kg Milch pro Jahr geben dürfen.
Unter dem AOC Label gibt es heute 15 „Fromage Fermier“ Produzenten, die ausschließlich Milch ihrer eigenen Ziegenherde verarbeiten, sowie drei weitere „Artisans Fromager“ Betriebe, die aus der Milch von mehreren Milchbauern den köstlichen Banon herstellen.
Wer seinen Käse ohne AOC Label verkauft, muss sich nicht an diese strengen Reglementierungen halten. Deshalb findet man auch immer wieder mal Banon aus anderen Milchsorten. Im Winter greifen manche Produzenten auf die reichhaltigere Schafsmilch zurück, in der Zwischensaison findet man ihn auch seltener aus Kuhmilch hergestellt.
Herstellung
In der Historie der Käseherstellung entwickelte Südfrankreich, bedingt durch andere klimatische Gegebenheiten, eine etwas andere Herstellungsart als sie im Norden Frankreichs üblich ist.
Mit seinen kühleren Temperaturen wendet man in Nordfrankreich traditionell eine langsamere Herstellungsmethode namens „Caillé Acide“ an. Durch Starterkulturen (Milchsäurebakterien) und Zugabe von sehr wenig Lab wird die Gerinnung der Milch in Gang gesetzt und führt während langer Fermentierungszeiten von bis zu 24 Stunden (auch Dicklegung genannt) zum Käsebruch. Die so hergestellten Käse haben oft eine leichte Säurenote und einen etwas krümeligeren, pastöseren Teig, welcher durch die langsame Dicklegung bei konstanter Temperatur um 20° C entsteht. Im kühleren Norden waren diese Temperaturen leicht einzuhalten, doch Südfrankreich musste sich hier früher in heißen Sommern etwas einfallen lassen.
Grund dafür war der Umstand, dass diese konstant niedrigen Temperaturen nicht über mehrere Stunden eingehalten werden konnten: intensive Sonne und fehlende Kühlmöglichkeiten verdarben die Milch meist bevor sie geronnen war. Durch Zugabe einer größeren Menge Lab wurde die Rohmilch deshalb möglichst schnell – in der Regel innerhalb von nur ein bis zwei Stunden – bei einer Temperatur von 30 bis 35° C dickgelegt. Auch wenn heute Kühlsysteme und technischer Fortschritt andere Möglichkeiten geöffnet haben, wird hier in der traditionellen Herstellung noch immer diese Methode, „Caillé Doux“ genannt, eingesetzt. Auf diese Art hergestellte Käse haben im Vergleich mit der längeren Fermentierung einen weicheren und glatteren Teig.
Nachdem sein Käsebruch den Weg in die Käseformen gefunden hat und 24 bis 48 Stunden unter mehrfachem Wenden abgetropft ist, wird er aus der Form genommen, gesalzen und auf den weiteren Reifeweg gebracht.
Zwei interessante Videos zur Banon Herstellung findet man hier oder hier.
Reifung
Sein Markenzeichen, das ihn optisch aus jeder Käsetheke herausstechen lässt, ist seine natürliche Verpackung im Blätterkleid. Doch es müssen 5 bis 10 Tage der Erstreifung vergehen, bevor er seine Karriere als echter Banon starten darf. Dann erst werden die vorgereiften Käselaibe in Esskastanienblätter eingewickelt, mit einer Bastschnur zusammengebunden und noch einmal mindestens 15 Tage weitergereift, bevor sie die Bühne der großen Käseauslagen und Käseteller betreten.
Das Einwickeln in Esskastanienblätter war eine Idee früherer Zeiten, die den Käse möglichst lange konservieren sollte. Denn besonders im Winter waren die Käselaibe die wichtigste Eiweißquelle in der Ernährung der Käsebauern.
Die Esskastanienblätter werden im Herbst gesammelt und für die Produktion des gesamten Jahres an einem trockenen und gut durchlüfteten Ort aufbewahrt. Dazu werden ausschließlich die schon angetrockneten Blätter ausgewählt, da sie weniger Gerbstoffe (Tannin) enthalten als die noch grünen Blätter und somit mildere Aromen an den Käse abgeben. Kurz vor dem Einwickeln der Laibe werden die Blätter mit kochendem Wasser, manchmal mit einem Schuss Essig versehen, biegbar gemacht. Pro Käselaib werden 5 bis 8 Kastanienblätter benötigt, um den Käse einzuwickeln und gut zu verschnüren.
In ihrer Reifephase trocknen die Blätter nach und nach wieder an und verleihen dem Banon während der Lagerung im Reifekeller seine einzigartigen Geschmacksnoten.
Sehen
Vor mir liegt ein kleines Geschenk. Hübsch in Kastanienblätter eingewickelt und mit einem Band verschnürt, habe ich das Gefühl mich selbst zu belohnen, wenn ich nun gleich das Band durchschneide und auf die Suche nach dem Käsekern gehe. Der kleine Banon wiegt gerade einmal 100 Gramm, wie das Schildchen verrät. Als ich mich mit großer Geschenkvorfreude ans Auspacken mache, entblättert sich vor mir ein kleines Spektakel, das mir bereits ohne einen Verkostungshappen gute Laune macht.
Komplett enthüllt zeigt er sich dann in ganzer Pracht. Der Käse hat eine leicht geriffelte Oberfläche und ein paar wenige Falten. Es ist ein flacher Taler mit hellgelber Färbung, der von einem sehr zarten Weißschimmelflaum überzogen ist, aber keine deutliche Rinde besitzt. Als ich ihn anschneide offenbart er einen glänzenden und cremig-zerlaufenden Kern von gelb-weißer Farbe.
Der Verhüllungskünstler – oder noch besser: Enthüllungskünstler – den ich hier auf dem Markt mitten in der Provence ergattert habe, gehört schon zu den reiferen Exemplaren. Durch geübten Druck auf den noch eingehüllten Käse fand der Produzent am Marktstand schnell heraus, ob er meiner gewünschten Reifestufe entspricht. Denn je älter und reifer er wird, umso weicher wird seine Käsemitte.
Riechen
Es riecht im ersten Eindruck laubig-holzig, was durch die Verpackung keine weiteren Rätsel aufgibt – schließlich war der Banon während der Reifung in getrocknete Blätter gehüllt. Ein zweites Nachschnuppern bringt milde, dezente Kellernoten, etwas Gras und subtile Nussdüfte. Appetit macht er: nicht nur auf einen ersten Geschmackseindruck, sondern auch auf einen entspannten Abend mit großem Käseteller. Nun aber siegt erstmal die Neugier auf den ersten Happen.
Schmecken
Noch bevor der Banon mit seinem langsam zerfließenden Herz davon laufen kann, werfe ich ein Eckchen in meinen Mund. Sofort breitet sich ein mittelkräftiger, an Herbstlaub, Walderde und Zedernholz erinnernder Geschmack in meinem Mund aus. Ein deutlicheres „Hier bin ich!“ als ich es dem Kleinen mit der hellen Farbe zugetraut hätte.
Ich lasse die Käseecke auf meiner Zunge zergehen. Ihr angetrockneter Rand löst sich feinkörnig auf, der Teig darunter ist dickflüssig und glatt. Zart und langsam schmilzt der Banon in meinem Mund dahin und erfüllt mich währenddessen mit einem intensiv-milchigen, durchaus komplexen Geschmacksbild.
Leichte Säure, eindeutiges Indiz der Ziegenmilch, gesellt sich nun hinzu. Ein paar grüne Noten mischen sich unter, Pimientos de Padròn lassen grüßen und bringen mich sofort auf eine gute Zubereitungsidee. Sanfte Tannineindrücke, altes Holz, Röstmandel, Haselnuss, Walnuss, ein Hauch von Kohl und ein Nachspiel erdiger Anmutungen folgen nach. Bilder von Zigarrenblättern fliegen durch meinen Kopf. Es ist spannend zu beobachten, wie sich der Banon im Mundraum entwickelt und, ähnlich einem guten Wein, seine Geschmacksgeheimnisse preisgibt – Lage um Lage, Schicht um Schicht, fast so, als entblättere er sich erst jetzt gänzlich.
Es sind die Esskastanienblätter, die dem Banon eine ganz eigene Aromatik mit außergewöhnlichem Geschmacksprofil verleihen. Wer ihn mild und sanft genießen möchte, sucht sich besser junge Exemplare heraus. Für mich, Liebhaberin gereifter und intensiver Käse, ist er jedoch dann am besten, wenn er einen flüssigen Kern und den intensiv nussigen und hölzernen Geschmack hat. Je reifer er ist, umso weicher wird sein Kern und umso ausgeprägter hat er die Aromen der Kastanienblätter in sich aufgenommen.
Geniessen
Eigentlich braucht es wie immer nichts als einen ruhigen Moment und ein Messer zum Genießen des Banons. Ein junges, noch mildes Exemplar macht sich gut mit einem Stück knusprigen Baguette, die gereifteren vollaromatischen Laibe passen mit ihrer Geschmackstiefe auch gut zu einem Sauerteig-Baguette oder einem rustikalen Roggenmischbrot. Alternativ zur obligatorischen Butter bringt ein Klecks kräuteriger Heu-, Thymian- oder Rosmaringelee seine feinholzigen Noten besonders gut zur Geltung.
Mit seiner perfekten Größe macht er sich auch leicht gratiniert auf einem frischen Salat mit Nussöldressing gut, besonders ehrenvoll ergänzt ihn Feldsalat mit seinen nussigen Noten, wenn noch ein paar angeröstete halbe Haselnüsse und ein paar gebratene Pilze und Speckwürfel darüber gestreut werden wird daraus schnell ein spannender, außergewöhnlicher Teller, der sich genauso gut als leichte Hauptspeise behaupten kann.
Auch eine Schüssel scharf in Olivenöl angebratener Pimientos de Padròn, gewürzt nur mit etwas Fleur de Sel und einer frisch gemahlenen Prise Pfeffer, macht sich überaus wunderbar zu diesem Käse. Und ein kross gebratenes, wirklich dickes Stück Rinderfilet, mit saftigem, rosa-blutigem Kern sowie mit einem halben Banon gratiniert und begleitet von ofengeröstetem Wurzelgemüse, das steht schon längst auf der den Herbst herbeisehnenden Kochliste.
Völlig gleich, in welcher Form der Banon auf Tisch und Teller findet: ein kleines südfranzösisches Geschmacksspektakel ist er jedes Mal.
Bonne dégustation!
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