Institut Paul Bocuse KÜCHENABENTEUER

Schneeweiße Erinnerungen

25. Juni 2012
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Ich bin zurück in Hamburg. Habe Lyon verabschiedet und hinter mir gelassen. Doch trotzdem fühlt sich Lyon näher an, als das was mich nach der Rückkehr umgibt.

Ich weiß, dass Viele gespannt und ein bisschen ungeduldig auf die weiteren Berichterstattungen vom Institut Paul Bocuse warten, meine letzten Wochen und Tage dort sowie die Erlebnisse mit Michel Troisgros in der Maison Troisgros und mit Paul Bocuse in der L’Auberge du Pont de Collenges. Bislang waren jedoch im mitreißenden Strom der Abschiedstage, der Verabschiedungen und Diplomübergaben sowie der Packstunden und den daran anschließenden letzten Urlaubstagen einfach keine Zeit für das gebührende Maß an Kontemplation. Die großen Berichte, das Sortieren der Fotos und der Erinnerungen fallen mir gerade noch schwer.

Was zu Beginn schon schnellebige Tage hervorrief, gipfelte zum Ende in großer Dauerbeschallung. Ich schaffe es bis jetzt noch nicht einmal, alle Notizen zusammenzubringen, habe Bücherstapel auf dem Esstisch aufgetürmt, für die es momentan noch keinen Regalplatz gibt, habe Mitbringsel und Erinnerungsstücke noch höchst präsent und nahezu flächendeckend im Wohnraum herumliegen. Es fällt schwer alles wegzusortieren. Viel lieber würde ich es andersherum tun und alle sonstigen Dinge verbrannen um Kochmontur, Büchern und Erinnerungen angemessenen Raum zu schaffen. Abschied ist ein scharfes Schwert. Und ich habe es dazu auch noch vielfach am Wetzstab schärfer gerieben.

Es ist seltsam in einen Alltag zurückzukehren, der noch kein Alltag ist. Keine Projekte, keine Verpflichtungen, keine To Dos. Dafür Regen und bestes Herbstwetter mitten im Hamburger Sommer. Nach der Völlerei der Lyoner Wochen genieße ich gerade die Reduktion der Tagesmahlzeiten auf ein reguläres Maß, lerne wieder den Spaß am Frühstücksmüsli und selbst der zu Beginn äußerst klein anmutende Butterblock bekommt wieder vernünftige Mengendimensionen, wenn man ihn nicht mehr im Viertelstundentakt in Riesenstücken in Gerichte hineinwirft.

 

GenussSucht_Guimauves-franzoesische-Marshmallows

 

Als mich das Wetter in den ersten Tagen nach der Rückkehr besonders bedrückte, suchte ich mir einfach meine Zuflucht in der Zubereitung kleiner Geschenke für den Geburtstag einer guten Freundin. Frisch aus Lyon importierter Käse von Fromager Affineur Mons und der Fromagerie Tête d’Or wartete schon im Geschenkpapier eingewickelt, dazu war mir nach Marmeladekochen. Eine Geschmacksexplosion, die ich schon in Lyon in der Küche ausgedacht und ausprobiert hatte, sollte es nochmal sein, zum Weiterschenken und für das nächste eigene Frühstücksbrötchen.

Die Sehnsucht nach dem Institut jedoch blieb auch danach ungestillt. Marmelade hilft eben nicht gegen alles. Schlussendlich mussten es weich-fluffige Guimauves sein, die französische Variante der Marshmellows, die ständig in den besuchten Restaurants als Petit Fours zugegen waren und immer mal wieder von anderen Pâtisserie-Chefs und -Studenten in unsere Kurse zur Verkostung hineingetragen wurden. Allein der Gedanke an den weichen, luftigen und zuckersüßen Wolkenschaum sowie das beim Hineinbeißen intensiv im Mund verströmende Orangenblütenaroma ist eine so wunderbare Erinnerung, ein so eindeutig mit dem Institut verknüpftes Souvenir, dass ich nicht anders konnte, als Guimauves zu machen um noch ein bisschen länger auf dieser Gedankenwolke zu schweben.

Mit dem Rezept meines Pâtisserie-Chefs und ein bisschen Veränderungswillen wurden daraus Orangenblüten-Passionsfrucht-Guimauves. Ich habe gleich zwei Bleche davon hergestellt – viele zum Verschenken, einige zum behalten. Und so esse ich jeden Tag zwei, drei schneeweiß-sonnengelbe Wölkchen gegen die tristen Regenwolken Hamburgs und denke dabei an Lyon, das Institut, die Chefs, die Zeit dort während ich versuche, alles Erlebte zu sortieren. Manchmal muss man den Geschmack der Erfahrung einfach noch ein bisschen auf der Zunge liegen lassen und genießen, bevor man ihn schluckt und davon zu erzählen beginnt.

Momentan möchte ich deshalb lieber noch ein bisschen schweben in den Erinnerungen und reiten auf den Guimauve-Wolken, bis ans Ende der Orangenblüte. Aber wenn das letzte Blech leer ist, so verspreche ich hier und heute mit einem Guimauve im Mund, steige ich von der süßen Schaumwolke ab und beginne endlich wieder mit dem Erzählen.

Guimauve-Ehrenwort!

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2 Comments

  • Reply Sophie D. 29. Juni 2012 at 08:37

    Dank dir habe ich auch welche gemacht und es hat super gut geklappt ! Merci beaucoup pour cette idée :o)

    • Reply Genusssucht 29. Juni 2012 at 09:50

      Schön, dass ich Inspiration war! 🙂 Dann wirst Du jetzt wohl nie wieder die trockenen Pappmarshmellows kaufen müssen.

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