ESSEN REZEPTE

Sommer trifft Winter beim Reste-Essen

14. Juli 2013
Genuss sucht Rezept_Sommer trifft Winter

Zwischen allem Lernen blieb nicht ganz so viel Zeit für Anderes, wie es meine Laune eigentlich gerne gehabt hätte. Mir war nach Ausgehen, Sommernächte durchtanzen, lange draußen sitzen und Wein ohne Verkostungsnotizen – Blatt vor mir trinken. Aber es soll bloß nicht nach Beschwerde oder schweren Zeiten klingen – alles ist wunderbar. Ich darf mich mit einem Thema beschäftigen, das meine Sinne herausfordert, das mich reizt, das ich mir erarbeiten möchte. Es ist ein selbstgewähltes Thema, meine eigene Passion. Und allein das macht es zu einem großen Vergnügen, selbst wenn ein Lernziel und eine nahende Prüfung dahinter stehen.

Neben all den weinseligen Stunden steht aber auch immer noch mein Projekt „Alles muss weg“ im Raum, sprich: jeden Tag bin ich bemüht, auch wenn es momentan an Zeit für ausladende Kocharien mangelt, Lebensmittel aus dem Vorrat weiter zu minimieren. Im Optimalfall mache ich jeden Tag irgendwas leer.  In der letzten Woche und den vergangenen Tagen war ich damit sehr erfolgreich: die Polenta „pur“ wurde für dieses fantastische Ergebnis geleert, eine letzte, kleine Hand voll Suppennudeln wurde zu einem Mittagssnack, zwei Stücke Apfeltarte aus dem Tiefkühler verzückten einen Nachmittag, ein Nuss-Müsli verschwand restlos.

Aus diversen Tomaten-Vorräten (Tomaten-Marmelade, Dosentomaten, getrockneten Tomaten, Tomatenpulver, Tomatenessig etc.) wurde eine große Flasche fantastischstem Tomaten-Kräuter-Ketchups, das nun zwar genau genommen einen neuen Vorrat darstellt, aber im Nu weggegessen sein wird, weil es viel zu lecker ist und ich das erste Drittel gleich mit Ofenkartoffeln wegknusperte.

Manche Dinge müssen vorbereitet werden, damit sie in den nächsten Tagen verbraucht werden können, wie zum Beispiel der Genmaicha, der schon einmal sorgsam in Teefilter portioniert und in einem Weckglas bereitgestellt wurde, damit er mir gar nicht erst wieder aus dem Blick gerät und sofort einsatzbereit ist. Eine Kanne Tee mache ich ohnehin jeden Morgen. Die nächsten 8 Morgen wird es eben immer Genmaicha sein. Ein ziemliches Luxus-Problem, wenn man Genmaicha mit einen zart-bitteren Aromen (Japanischer Grüntee mit geröstetem Reis und Popcorn) so sehr liebt wie ich.

Der Ritterschlag des Reste-Wegessens folgte aber noch. Denn gleich vier weitere Vorrats-Zutaten habe ich zu etwas unerwartet Gutem verbunden: eine Packung Camargue Reis, die letzten ausgekratzten Löffel Kastanienhonig, ein Miniglas Moutarde au Cassis de Dijon – und tiefgefrorene Reste einer bei Niedertemperatur gegarten Rehkeule in provencalischen Kräutern, die ich vor einigen Wochen als letzten Winterrest Gästen kredenzen wollte, dann aber mit gegarter Keule und 3 Essensabsagen alleine anknabbern musste. Da ich mich nicht überwinden konnte, mehrere Tage in Folge Reh zu essen, fror ich die abgezupften, perfekt weichen und sagenhaft würzigen Fleischteile kurzerhand ein. Für ein Sandwich, dachte ich damals. Nun wurde aber was viel Besseres daraus.

Als ich auf dem Wochenmarkt schlenderte, fielen mir an einem Beerenstand aus dem Alten Land sofort ein paar Schalen Schwarze Johannisbeeren auf. Sehr wenige, sehr weit versteckt hinter den Verkäuferinnen. An der Front waren hübsch und zahlreich Schalen mit Roten Johannisbeeren, unreifen Stachelbeeren und Erdbeeren aufgereiht. Die schwarzen Johannisbeeren hingegen, weniger Publikumsliebling als ihre roten Schwestern, warteten verdeckt im Hintergrund. Auf mich. Denn sie gehören zu meinem Lieblingsobst seit ich denken kann.

Als wahrscheinlich größte Obstdiebin aller Zeiten plünderte ich die Johannisbeer-Sträucher meines Opas wohl gleich nach dem Erlernen des autarken Laufens. Jahr für Jahr stiebitzte ich mich von roten Johannisbeeren (am meisten Sträucher, aber nur Dritte auf der Rangliste) zu weißen Johannisbeeren (weniger Sträucher, aber dafür mit ihrem milden Geschmack und den faszinierend transparenten Beeren auf Platz 2) zu den schwarzen Johannisbeeren (leider nur 3 oder 4 Sträucher, aber dafür, oder vielleicht auch deswegen, absoluter Ranglisten-Anführer, zusammen mit den Stachelbeer-Sträuchern).

Auf dem Markt waren es nur 5 Schalen. Sie waren dick und prall und ihre matte Oberfläche schluckte die Sonne. Ich musste natürlich sofort welche kaufen. Und hatte im gleichen Moment schon einen Salat damit im Sinn. Nicht irgendeinen Grünen, bei dem die Beeren das ganze Schauspiel für sich allen gewinnen würden, sondern ein kräftiger Salat mit ebenbürtigem Wettkampf-Teilnehmern. Das Rehfleisch kam mir in den Sinn und gleich darauf der Camargue Reis. Während ich in der langen Schlange beim Gemüsestand wartete, schloß ich die Augen, genoß die Sonnenstrahlen und überlegte, was das Trio wohl noch als Kontrastgemüse brauchen würde. Rucola war die Antwort. Dazu noch eine Tüte roter Feldsalat (der allerdings erst beim nicht fotografierten Zweitteller zum Einsatz kam).

Ein bisschen zwickte es im Herz, als der Camargue Reis geräuschvoll in den Topf rieselte und ich beim Schütteln der leeren Verpackung wusste, dass es nun keinen Camargue Reis mehr geben wird bis alle Vorräte aufgebraucht sind. Weil ich es mir vorher nicht erlauben werde, Neues zu kaufen ( natürlich mit Ausnahme frischer Zutaten, mit denen die Vorräte kombiniert werden können).

Aber das Ergebnis machte jeglichen Schmerz wieder gut. Denn heraus kam ein für meinen Geschmack perfekter lauwarmer Salat. Mit sommerlichen Reizen von kräftigen schwarzen Johannisbeeren, dazu harmonierendem, in seiner Grobheit rustikal-mildem Cassis-Senf, fruchtigem Himbeeressig und deftig-erdigen Aromen von in Kastanienhonig leicht ankaramellisiertem Rehfleisch. Der Salat war so schnell zubereitet (dem vorgegarten Tiefkühl-Rehfleisch zum Dank!) und geschmacklich so vielschichtig, dass mir danach nicht einmal mehr nach dem kleinsten aller kleinen Desserts gelüstete. Denn meine schwarze Johannisbeerliebe, der Honig und das Himbeer-Aromen hatten mich schon ganz, ganz glücklich gemacht.

 

[flickr id=“9262523772″ thumbnail=“large“ overlay=“true“ size=“large“ group=““ align=“none“]

 

 

CAMARGUE-REIS-SALAT MIT REHKEULE-RESTEN, SCHWARZEN JOHANNISBEEREN UND RUCOLA

Zutaten für 2 Personen:
100 g Camargue Reis
200 g Reste von Rehkeule
2 EL Butter
1 EL Kastanienhonig (alternativ ein anderer, kräftiger Honig mit leicht bitterer Note wie Tannenhonig)
150 g Schwarze Johannisbeeren
1 Bund Rucola oder roter Feldsalat
1 EL Cassis-Senf (z.B. von Fallon oder alternativ ein milder, grobkörniger Senf à l’ancienne)
2 EL Himbeeressig bester Qualität (sehr, sehr fruchtig mit gemäßigter Säure)
Salz, Pfeffer

Vorbereitung:

Reis mit der doppelten Menge Wasser in einen Topf geben, leicht salzen und bissfest kochen (nicht zu weich werden lassen). Abgießen und etwas auskühlen lassen.

Salat putzen, waschen und trocken schleudern. Schwarze Johannisbeeren ebenfalls waschen und vorsichtig von den Stielen zupfen.

Und so wird’s gemacht:

Rehfleisch würfeln. In einer Pfanne die Butter schmelzen, Rehfleisch hinzugeben und in ca. 2 Minuten leicht anbraten. Honig zufügen, nach Geschmack salzen und pfeffern und noch weitere 2-3 Minuten leicht karamellisieren lassen. Zum Camargue Reis geben und gut verrühren. Zuletzt noch die schwarzen Johannisbeeren vorsichtig unterrühren.

Aus Senf und Himbeeressig ein Dressing rühren.

Anrichten:

Salat auf Tellern anrichten. Dressing mit einem Löffel darüber träufeln. Etwas von der Camargue-Reis-Mischung in der Mitte platzieren.

Bon Appétit!

You Might Also Like

Genuss bringt Menschen zusammen.
Du willst mehr kulinarische Anekdoten und Rezepte? Dann trage dich für den Newsletter ein. Als Dankeschön erhältst du ein RECETTE DU WEEK-END mit allen Genussextras.