ALLTAGSKÜCHE ESSEN REZEPTE

Alles muss raus

28. Juni 2013
Limette-Minz-Falafel mit Feta Fenchel Melone_slider

Einer dieser Tage. DIESER Tage, ihr wisst schon. Einer, an dem man sich so gerne zusammenreißen möchte, aber irgendwie will alles anders.

Ich streifte rastlos durch meine Wohnung. Vom Wohnzimmer in die Küche, an den Schreibtisch, zurück in die Küche. Kühlschranktür auf, Kühlschranktür zu. Gedanken an heiße Schokolade, dann aber doch keine Lust darauf. Lust auf Holunderbeerensirup-Schorle, aber kein Mineralwasser im Haus. Die Seele will Sonne, aber vor dem Fenster ist weit und breit kein Sommer in Sicht. Was soll es heute bloß zu essen geben? Wann wird wohl wieder mal die Sonne scheinen? Gehe ich heute abend noch aus? Alles fühlte sich so faul an und keine einzige Antwort wurde zu Ende gedacht.

Plötzlich die Sehnsucht nach Fast Food. Aber nein, nichts Schweres, Unverdauliches, Ungesundes. Was Leichtes lieber. Mit ein bisschen von allem: Frische, Fast Food, Fröhlichkeit. Genau sowas. Der Kühlschrank gähnt mich an. Nichts drin außer ein Stück des Markt-Feta vom vergangenen Freitag, ein großer Becher Natur-Joghurt und eine riesige Portion gekochter Kichererbsen. Ein halbes Kilo hatte ich gekocht vor 2 Tagen. Weil mir am Wochenende aus dem Vorratsschrank eine Packung getrockneter Kichererbsen entgegen fiel. Ich hatte sie einfach mal eingeweicht über Nacht, ohne zu wissen, was ich damit wohl anstellen würde. Aber es passte so gut in meinen Plan.

 

Limette-Minz-Falafel mit Feta Fenchel Melone_slider

Limette-Minz-Falafel mit Feta, Fenchel, Melone und Pistazien

 

Mein Plan lautet nämlich seit mittlerweile über drei Monaten: Vorratsschrank aufessen (also nicht den Schrank selbst, das wisst ihr, oder?). Alles leer machen. Jede Sorte Reis (ich hatte 10 davon!), jede Sorte Mehl (mindestens genau so viele!), jede Sorte Nudeln (unzählige!), jedes Gläschen eingekochter Marmelade (viel zu viele!), jedes Chutney (wann habe ich die eigentlich alle gemacht?), jede Konserve (zum Glück nicht ganz so viele!), jede Nuss und Trockenfrucht (ach je, was ist mein Vorratsschrank ein Sammelsurium!), jedes Gewürz (wie soll ich das jemals schaffen?), jede Teesorte (ich Sammelverrückte!), jedes Öl (bei 24 hörte ich auf zu zählen!), jeder Essig (ähnliches Drama wie die Öle!), jedes sonstige Pülverchen und auch das allerletzte Krümelchen (ach je, ach je!).

Eine wirklich geduldsfordernde Aufgabe ist das, kann ich euch verraten. Man könnte nun meinen ich besäße einen Vorratsschrank in Größe eines Ankleidezimmers, aber ehrlich: so ist das gar nicht! Das Kämmerchen ist gerade mal einen Quadratmeter groß und beherbergt nicht nur Essen, sondern nebenbei als einzige Abstellmöglichkeit meiner Wohnung auch diversen Hausrat. Nichtsdestotrotz habe ich darin mit vielen Themen-Kartons ein äußerst facettenreiches Museum der Lebensmittel anlegen können. Es ist mir selbst manchmal ein Rätsel, wie all das da hinein gelangen konnte.

Zu Beginn meiner Aufess-Initiative war ich felsenfest sicher, ich wäre damit in 2 Monaten durch, wenn ich mich konsequent daran hielte. Woche für Woche wurden einzelne Sachen auf die Arbeitsfläche verfrachtet, um dort einen Kochreiz auszulösen. Manche wurden mit großer Freude, andere mit fremdartigem Widerwillen (ich esse so ungern nach vorgegebenem Zutatenplan) verarbeitet. Nach und nach offenbarten sich seltsame Lücken in den Regalen, eine neue Luftigkeit zog ein und auch der Zustand, dass mir beim Herausziehen einer Sache nicht immer zwei andere mit entgegen fielen, war zuerst gewöhnungsbedürftig. Ich bin zwar noch immer nicht am Ende angelangt und es gibt immer noch Vieles zu vernichten (wie viele Monate wird das wohl noch dauern?), aber: Ich mag das Gefühl, wieder an meine Essenz zu gelangen, alles Unnötige wegzulassen, den Vielfaltsluxus aufzugeben.

Genau das mache ich zur Zeit nicht nur in meiner Küche, sondern in meinem ganzen Leben. Ich räume auf. Rigoros und von Grund auf. Ich nehme alles in die Hand, prüfe die Existenzberechtigung, teste, verarbeite, sortiere aus, mache Platz für Neues. Es bringt viel Freiheit mit sich, wenn man nicht nur Vorratsschränke, sondern gleich das ganze Leben entrümpelt: vom Kühlschrank über den Kleiderschrank über den Keller bis hin zu menschlichen Beziehungen. Alles, was seinen Einsatzzeit, sein Mindesthaltbarkeitsdatum, seine modische Relevanz oder bedeutungsvolle Glanzzeit überschritten hat, muss sowieso gehen. Alles, was noch Sinn und Zweck erfüllt, wird nach und nach seinem Bestimmungszweck zugeführt.

Manche Dinge nimmt man fünf Mal in die Hand, bevor man sich wirklich davon trennen kann. Aber das macht rein gar nichts, so lange es irgendwann klappt. Kein Aufheben mehr, kein Horten, kein Warten auf bessere Momente. Denn ich habe eins gelernt: Wenn man zu lange wartet, zu lange zögert, sich nie aus seiner Komfortzone herauswagt, dann geschieht selten was wirklich Neues und Unerwartetes. Also mache ich mich einfach wieder ein bisschen frei für Neues. Der Moment ist jetzt.

Genau deshalb habe ich heute die Kichererbsen nach so langer Zeit der Schattenexistenz ihrem Bestimmungszweck zugeführt. Sie haben mich dabei sogar nicht nur satt, sondern auch glücklich gemacht. Denn sie brachten all die Frische, Fröhlichkeit und vor allem die Portion Fast Food, nach denen ich mich heute so sehnte.

Unmittelbar nach dem Erblicken der gekochten Kichererbsen huschte ich deshalb schnell zum Gemüsemann und kehrte kurze Zeit später mit Melone, Minze und Petersilie nach Hause. Plötzlich war klar, worauf diese Kichererbsen so lange gewartet hatten. Sie wollten zum köstlichsten und sommerlichsten Falafel-Sandwich werden, das ich je gegessen habe. Einem Falafel mit knackigem, limettensaftgewürzten Fenchelhobel, süßer Wassermelone, belebender Minze, salzig-cremigem Feta, knackigen Pistazien und erfrischender Joghurt-Sauce. Mehr ging nicht drauf, mehr ging nicht rein. Und wieder habe ich mich um ein Lebensmittel weiter frei gekämpft. Hurra, hurra!

 

[flickr id=“9152068345″ thumbnail=“large“ overlay=“true“ size=“large“ group=““ align=“none“]

 

LIMETTE-MINZE-FALAFEL MIT FENCHEL, FETA UND MELONE

Zutaten für 2 – 3 Personen:
400 g Kichererbsen (gekocht & abgetropft; alternativ 1 kleine Dose)
1 Ei (Größe L)
1 großes Bund Minze
5 Zweige Petersilie
ca. 50 ml Wasser
3 EL Semmelbrösel
3 TL Koriandersaat
Erdnussöl
3 EL Joghurt
1 EL Schmand
Saft einer ausgepressten Limette
1 TL Limettenabrieb
1 kleine Fenchelknolle (blitzfrisch und ganz knackig)
1 Stück Wassermelone
ein paar Brocken Schafsmilch-Feta
ein paar TL geschälte Pistazienkerne
Fladenbrot (bei mir: iranisches, flaches Vollkorn-Fladenbrot)
Salz, Pfeffer

 

Und so wird’s gemacht:

Vorbereitungen

Kichererbsen Minze von den Stängeln zupfen. Petersilie grob hacken. Koriandersaat in einem Mörser zu feinem Pulver vermahlen. Pistazienkerne in einer Pfanne leicht anrösten bis sie gut duften, beiseite stellen. Limettenschale zuerst abreiben, danach pressen. Saft und Zeste zur Seite stellen. Fenchel auf einem Hobel hauchdünn hobeln (oder mit einem sehr guten Messer so fein wie möglich schneiden) und mit 1 TL Limettensaft per Hand vermengen. Melonenstück in dünne Scheiben schneiden.

Los geht’s

Kichererbsen mit ca. 1/4 der Minzblätter, der ganzen Petersilie, dem Ei sowie einer ordentlichen Prise Salz und Pfeffer in einem Mixer zu Mus verarbeiten. Das Wasser nach und nach zugeben bis eine homogene, nicht bröckelige Textur erreicht ist. Ein paar Kichererbsen-Sückchen können ruhig noch drin bleiben, es muss nicht komplett glatt püriert sein. In eine Schüssel umfüllen und per Hand die Semmelbrösel unterkneten. Ggf. noch etwas nachsalzen und -pfeffern. Die Masse sollte gut zu Bällchen formbar sein, falls sie zu trocken ist, noch ein paar Spritzer Wasser unterkneten; falls sie zu flüssig ist, noch einen EL Semmelbrösel. Danach ca. 10 Minuten ruhen lassen.

Den Boden einer großen Pfanne mit Erdnussöl bedecken (daran nicht sparen, sonst backt es an) und erhitzen. Mit den Händen aus der Kichererbsen-Masse kleine Bällchen formen und leicht flach drücken. Die Bällchen in der Pfanne bei mittlerer Hitze von beiden Seiten braten bis sie schön kross und braun (nicht schwarz!) sind. Das dauert ca. 6-7 Minuten bei größeren Bällchen, ca. 4 Minuten bei kleineren Bällchen. Alternativ kann man die Bällchen natürlich auch in 160 Grad heißem Öl frittieren bis sie rundum gebräunt sind.

In der Zwischenzeit Joghurt, Schmand, Limettenabrieb und 1 TL Limettensaft gut verrühren und mit Fleur de Sel und Pfeffer kräftig abschmecken.

Anrichten

Das Brot in Portionsgrößen teilen und in der Mitte aufschneiden. Einen Löffel Sauce auf das Brot geben, ein bisschen von dem Fenchelhobel darauf verteilen. Falafel darauf legen, leicht andrücken, mit Melonenscheiben belegen, Minzblätter nach Geschmack (ich verwende sie wie Salat in Massen und liebe das minzige Gesamterlebnis), ein paar Krümel Feta dazu und einige Pistazienkerne darauf verteilen. Mit einem Klecks Sauce abschließen, dann zuklappen und mit geschlossenen Augen möglichst bald hineinbeißen.

Bon Appétit!

 

 

Limette-Minz-Falafel mit Feta Fenchel Melone_slider

Limette-Minz-Falafel mit Feta Fenchel Melone

 

 

You Might Also Like

3 Comments

  • Reply Genuss sucht I Lauwarmer Sommerknusper 9. Juli 2013 at 16:55

    […] Polentagericht war mir nach einer Kombination mit den letzten Kichererbsen, die nicht mehr ins Falafel passten. Kross sollte das Gericht werden, mir war nach buttrig-gebratenem, croûton-ähnlichem […]

  • Reply Genuss sucht I Abenteuer: Santé! Schlückchenweise zum Wein-Kenner / Teil 1 5. Juli 2013 at 15:01

    […] dauert die Mission “Vorräte aufessen” an. Die letzten drei Bällchen des sommerlichen Falafel der letzten Woche wurden zwei Tage später kurzerhand zum Reisesnack umgewandelt. Ohne […]

  • Reply Marja 3. Juli 2013 at 09:18

    Liebe Steffi,
    ich bin endlich wieder in meiner Whnung und kann jetzt mit dem Aufräumen beginnen bevor es nach Gnoble geht. Die Papierberge sind mindestens so einschüchternd wie die Lebensmittelvorräte und ich musste wieder einmal sehr oft nicken, ls ich deine Zeielen Las.
    Ich hoffe sehr, dass deine Reise in den Süden erfreulich und erfolgreich? War. Mach es dir schön und genieß die Zeit.

    Einen erfreulichen Sommer wünsche ich dir!
    Liebe. Grüße
    Deine Marja

  • Leave a Reply

    Ausrechnen, eintippen und dann absenden. * Time limit is exhausted. Please reload the CAPTCHA.

    Genuss bringt Menschen zusammen.
    Du willst mehr kulinarische Anekdoten und Rezepte? Dann trage dich für den Newsletter ein. Als Dankeschön erhältst du ein RECETTE DU WEEK-END mit allen Genussextras.